Joseph Haydn - Die Schöpfung


Die Schöpfung


Traudl Schmaderer - Sopran
Roger Padulles - Tenor
Hernan Iturralde - Bass

CONCERTO Tübingen




                                                                                                                               SchwäbischesTagblatt, 6. Juli 2004

Es werde Licht!

Haydns "Schöpfung" in der Tübinger Stiftskirche

TÜBINGEN (ach). Trotz des EM-Finales schafften es der BachChor Tübingen unter Hanns-Friedrich Kunz und Haydns Erfolgsoratorium "Die Schöpfung", die Stiftskirche am Sonntagabend zu gut zwei Dritteln zu füllen. Haydns Spätwerk wird von einer erlösten Heiterkeit und feierlichem Lobpreis getragen, die Besetzung der Vokalsolisten orientierte sich daher an festlichem Glanz und Strahlkraft. Traudl Schmaderer (Sopran), Roger Padulles (Tenor) und Hernan Iturralde (Bass) verfügen über opernhaft große Stimmen, die Chor und Orchester prachtvoll überstrahlten.

  Iturralde beeindruckte durch seinen baritonalen Farbenreichtum, seine Begabung, den Hörer immer wieder auf Neue durch seinen schönen, beredten Ton zu fesseln. Schmaderers kontrollierte Stimmführung ermöglichte bruchlose Skalen und Trillerpassagen. Padulles' metallisch gefärbtes Timbre besaß die Durchschlagskraft eines Heldentenors, blieb aber in seinen gestalterischen Möglichkeiten weitgehend auf die Lautstärke beschränkt, das Piano zur "stillen Mondnacht" wirkte wie ein zurückgenommenes Forte.

  Die besondere Stärke des über 90 Stimmen gewaltigen BachChors ist seine vorbildliche Artikulation und Textverständlichkeit, seine - für eine derartige Klangmasse erstaunliche - Wendigkeit und punktgenaue Akzentsetzung. Vor allem im Tutti begeisterte der Chor durch den runden und vollen Gesamtklang; beim aufblitzenden "Es werde Licht" schien eine kollektive Gänsehaut durch die Stiftskirche zu gehen. Allerdings dominierte die Tendenz, die ohnehin schon kurzen Chorabschnitte in schnellerem Tempo zu nehmen, um sich dafür in den Arien mehr Zeit zu lassen. Dadurch verloren die Chöre etwas an Gewicht, waren schon vorüber, bevor man sich satt hörte.

  Besondere Erwähnung verdient die kunst- und liebevolle Gestaltung durch das Concerto Tübingen. Haydns Lautmalereien wirken in Aufrührungen oft penetrant und überstrapaziert, hier erhielten sie ihre Selbstverständlichkeit zurück. Schon die Ausmalung des Chaos zu Beginn war ein kleines Meisterstück: Wellenartige Schübe liefen durchs Orchester, in lethargischem Leid wand sich der Klang, dissonante Sekundreibungen wehten vorüber wie über wüste Leere.

  Mit ansteckender Lust an der musikalischen Illustration ließen Posaune und Kontrafagott den "Löwen brüllen", summten Insekten im Tremolo daher, fielen Regen und Schnee. Nicht nur, wenn mit stockendem Atem und ersterbendem Streicherpuls der Schöpfer "den Odem wegnahm", bekamen die Lautbilder durch die hellsichtige Interpretation eine würdige Tiefe.

Veranstaltungsort: Stiftskirche Tübingen | Datum: 04.07.2004